Blatt 1
Nach dem Schreiben
des Landrabiners
von Düsseldorf vom 18 ten July 1816, welcher
sich auf
die Israelitischen Gesetze gründet, bleibt
es
ganz unstrittig, daß der aus dem priester-
lichen Geschlecht
nemlich ein Cahn das Vorrecht
hat, bey Ablesung der Thora
vorzüglich aufgerufen
zu werden. Dem Joseph Chan zu Mondorf,
der
ausweise des Protokolls vom 23 ten dM schon
früherhin
am 27 ten Juny 1813 ein Attest aus seiner
Heymath Fulda [?]
beygebracht hat, daß er wirk[lich ?]
ein Chan oder Cahn sey,
steht also das Chans [..?]
Recht unbezweifelt zu, und muß
deshalb
von der Mondorfer lsraelitischen Gemeinde
anerkannt
bleiben.
Was die Verwaltung der Thora betrifft
von welcher man
den Joseph Chan ausschließen
will, so ist es der Gebrauch,
daß dies
auf dem platten Lande, wo die Gemeinden
nicht
Seelenreich sind, von den zu der [... unleserlich]
Synagoge
gehörigen verheyratheten Thora-
väter monatlich
wechselweise unentgeltlich
verwaltet werde. Ein jeder darf in und
außer seiner
Verwaltungszeit, wenn er der Stemm
[schwerleserlich] Cahsa nichts schul-
dig bleibt, und gleichförmig
anderen seiner Mitglieder,
das, was zur Unterhaltung der Synagoge
erforder-
lich ist, beyträgt, die gottesdienstliche
Verrich-
tungen an der Thora an sich steigern, und ist die
Verwaltung der Thora oder Zehn-Gebothe
von einer einzelnen
Person gekauft oder
geerbt worden, doch der Synagoge verehrt,
[?]
so ist dieselbe gemeinschaftlich.
Ich sehe daher nicht ein,
warum die Mondorfer
Juden Gemeinde diese Rechte dem Joseph
Chan
der dort geheyrathet, etablirt, alle bürgerlichen
Abgaben
zahlt, und auch erklärt hat, (in dem Protokoll vom 8
ten July)
den Kosten-Beytrag, welcher zur Synagoge er-
fordert
wird, immer zu leisten, nun berauben
und nicht als einen ihrer
Mitglieder anerkennen
wollen. Eben so wenig kann die Zahlung
von
Eintrittgeldern, welche dem Josef Chan
auferlegt wird, gegründet
seyn. Es ist mir
bekannt, daß in mehreren Orten, wo ein
Jude
fremd angekommen, nach dem er sein Bürgerrecht
erworben, ohne daß von ihm die mindesten Eintritts-
gelder
gezahlt, in die Synagoge aufgenommen
wurde, und darin sein Recht
wie jeder andere
genießt. Auch liegt dieses schon in der
Natur
der Sache selbst, wonach jedem Confessions Ver-
wanten
der freye Zutritt zur Ausübung
seiner gottesdienstlichen
Verrichtungen an
einem Ort zusteht, der nothwendig
gemein-
schaftlich vorausgesetzt werden muß.
Hat auch die
Judengemeinde zu Mondorf
ihr gottesdienstliches Gebäude in
Miethe, oder
von einem Mitgliede zum frommen Gewerke
hergeliehen, so kann in keinem Falle ein nun
Besuchender
angehalten werden, die früher hier-
zu verwendeten Kosten
mitzutragen, und kann
derselbe nur zu denjenigen verbunden seyn
die während seiner Benutzung auch von den übrigen
Confessions-Verwandten gleich getragen
werden müssen. Es
hat daher die lsraeliti-
sche Gemeinde zu Mondorf keine rechtliche
Gründe
ihre Forderungen an den Joseph Chan durchzusetzen.
Es
ist ihre Behandlung gegen denselben umso un-
verzeilicher, als aus
dem Ganzen hervorgeht,
daß nur leidenschaftliche
Erbitterung dieselbe
veranlaßt. Mit Bezug auf meinen Erlaß
vom 25 ten July jüngst, wollen Sie, Herr Bürger-
meister,
hiernach die Juden Gemeinde auf ihre hier [unleserlich]
eingegebene
Vorstellung bescheiden, und nunmehr
derselben ernstlich
auferlegen, den Joseph Chan
in den Genuß der ihm
zustehenden Rechte sofort
zu setzen, und ungehindert zu
belassen.
Siegburg, den 12 ten Septbr [1816]
Der kommissarische
Landrath
[Unterschrift, unleserlich]
"Gewalt
beendet keine Geschichte"
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